Eines von vielen Reformationstagskonzerten fand am Dienstagabend in der Pößnecker Stadtkirche statt und trotzdem erlebten die über 130 Besucher etwas Besonderes. Am 500. Jahrestag der Reformation spielte nicht irgendeiner an der Kreutzbach-Jehmlich-Orgel in Sankt Bartholomäus, sondern der Erfurter Domorganist und -kantor, Kirchenmusikdirektor und Professor Silvius von Kessel. „Noch vor zwanzig Jahren wäre so etwas nicht möglich gewesen, dass ein katholischer Organist zum Reformationstag in einer evangelischen Kirche spielt“, gab Oberpfarrer Jörg Reichmann in seinen Begrüßungsworten zu bedenken.
Mit einem Werk des französischen Organisten und Komponisten Marcel Duprébegann das Konzert mit der Sinfonia aus der Kantate BWV 29 „Wir danken dir, Gott, wir danken dir“. Es ist eine sehr bekannte und beliebte Transkription von Dupré. Mit unglaublicher Technik und ungewöhnlichen Registrierungen interpretierte Silvius von Kessel die vielfarbige Klangwelt Louis Viernes (1870–1937). Aus den „24 Pièces de fantaisie“ spielte er „Feux follets“ (Irrlichter), „Carillon de Westminster“ und „Naïades“. Bei letzterem Werk waren pianistisch flimmernde Sechzehntelketten, zu denen sich zweimal ein sirenischer Gesang gesellt. Die drei Stücke gaben ein betörendes impressionistisches Stimmungsbild. Weiter ging es mit dem Präludium und Fuge Es-dur von Johann Sebastian Bach und der „Introduktion und Passacaglia d-moll“ von Max Reger, ein kunstvolles und beliebtes Orgelwerk Regers.
Insgesamt war das Konzert ein weit gefasster musikalischer Bogen, welcher seinen imposanten Abschluss mit einer Improvisation über den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ beendete. Liebhaber von Improvisationen kamen hier voll auf ihre Kosten. Vom zartesten Säuseln bis zum körperlich Spürbaren stehen der Kreutzbach-Jehmlich-Orgel alle klanglichen Möglichkeiten zur Verfügung. Die Zwischentöne sind dabei so reich abgestuft, dass man kaum glauben kann, dass dies tatsächlich von einem einzigen Instrument hervorgebracht werden kann.